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Test Ducati Streetfighter S

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02 Juni 2010~6 Min Lesen
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Jedes neue Motorrad braucht ein gesetzmäßig vorgeschriebenes ABS, eine Hausratsversicherung und zwei einbetonierte Räder. Das rettet milliarden Menschenleben. Für alle jedoch, die eh nicht mehr zu retten sind, gibt es die Ducati Streetfighter S, einen tätlichen Angriff auf die Straßenverkehrsordnung an sich und Seelenmedizin für alle, die das Ende wilder Motoräder nahen sehen.

Eine rassistische Betrachtung über Straßenkämpfer, italienische Momente und Kernkraftwerke mit Öhlins-Fahrwerk und Traktionskontrolle.

Mit italienischen Fahrzeugen verbindet mich eine Hassliebe. Der teutonisch korrekte Maschinenbauer in mir hasst die laissez-faire-Attitude, die scheinbar in italienischen Werken an den Tag gelegt wird. Spricht ein Deutscher einen italienischen Ingenieur auf einer Präsentation zum Beispiel darauf an, dass er die Federbasis nur verstellen kann, wenn er sich dabei Verbrennungen dritten Grades zuzieht, weil das Handrad dazu lustlos am Krümmer montiert ist, erntet er Augenrollen. Diese Deutschen! Keine Ahnung von Emozione! Das ist im negativen Sinne aufregend.

Auf der anderen Seite sind italienische Maschinen aber immer ein so arges Erlebnis, dass man sie einfach lieben muss, wenn einem noch eine Spur warmes Blut durch die verkalkten Röhren pumpt. Genauso wie richtig guter Sex oft mit leicht gestörten, aber hinreißenden Frauen passiert, erlebt man die merk-würdigsten Fahrten meist auf einem italienischen Motorrad, weil das eben auch ein bisschen gestört ist. Letzter Fall: MV Agusta Brutale. Nach unter 1000 km schon drei Sachen kaputt, aber was für eine Maschine! Das ist so arg wie *pieep* in den *pieep* bei *pieeep-piep*. Mindestens. Es ist im positiven Sinn aufregend.

Und jetzt die Ducati Streetfighter. Die hab ich mit einer sanft gummibandigen 600er abgeholt. Dann setzt man sich auf diesen fahrenden Vulkanausbruch, der schon im Leerlauf seine riesigen Kolben gegen die Bauchdecke hämmert, dass einem ganz schummerig wird. Beim Losfahren dann hat man das Gefühl, auf diesem Berg kaum zu beherrschender Power zu sitzen, die jeden Moment hochgehen kann. Wenn die Ducati einfach explodiert wäre, hätte ich bei meinem Flug in Richtung einer geostationären Erdumlaufbahn gedacht: „Das wundert mich jetzt nicht.“ Sie ist weniger ein Motorrad als vielmehr ein Erlebnis. Schon allein dieser Anlasser! Denk an einen Kampfjet. Okay. Die Schalter für die schweren Waffen, unter dieser Sicherungsklappe? Genau so.

Ich bin die Streetfighter S gefahren, weil Ducati nur diese Variante im Fuhrpark hat, weil die wahrscheinlich am meisten verkauft wird. Sie hat ein Öhlins-Fahrwerk, eine einstellbare Traktionskontrolle, ein paar Verkleidungsteile aus Kohlefaserlaminat und einen Stecker für das Hausstrecken-Datarecording via Ducati Data Analyzer DDA. Fürs reine Erleben langt auch die Standardversion. Die hat zum Beispiel denselben Motor. Der Motor ist: brutal.

Der Motor ist: laut.

Mitfahrer hören ihre eigene Maschine hintendran nicht mehr, obwohl die Duc so lange übersetzt ist, dass innerorts meist der zweite Gang angesagt ist. Grund: Geräuschvorschriften. Ha! Diese Vorschriften sind vollkommener Quark, weil die Fahrer eben einen Gang tiefer fahren, wenn es zu arg ruckelt. Die Übersetzung ist ein Feigenblatt, das zu folgender Empfehlung führt: gleich ein kleineres Ritzel mitkaufen, so wie bei der Aprilia Tuono früher eben auch. Vorschriften? Ha! Italiener lachen über Vorschriften.

Kleiner Vorteil der unpassenden Übersetzung: Die Streetfighter fährt damit erfreulich sparsam.

Immer um die sechs Liter auf der Landstraße im Touring-Konvoi, sieben bis acht Liter bei der Autobahnüberführung. Acht Liter bei immer, wo es geht 230-240 mit Rucksack sind ein enorm guter Wert für ein Naked Bike. Normal sind neun bis elf.

Öhlins-Fahrwerk: braucht kein Mensch — sagt die „Stimme der Vernunft“ oder wie die heißt, und wie immer geht ihre Aussage am Thema vorbei. Wohnmobil-Ingo hat nach seiner Fahrt auf der Streetfighter gesagt: „Da habe ich zum ersten Mal verstanden, was es bedeutet, wenn irgendwo was von Öhlins-Fahrwerk steht.“

Generell gilt dasselbe wie für alle guten Fahrwerke: Auch Rumlullerer, Trödler merken, dass es gut funktioniert.

Das ist wie bei diesen guten Küchenmessern von Global. Sie machen einen noch lange nicht zum Meisterkoch, aber es fühlt sich viel besser an, mit ihnen einfach nur ein paar Tomaten zu würfeln. Öhlins braucht auch kein Mensch, aber wollen sollte man es.

Meine Hassliebe mit Italienern liegt an leidvollen Erfahrungen aus erster Hand. Abfallende Spiegel, ölende Motoren, und die Elektrik ist das Schlimmste, die begeht beim ersten Regenguss Suizid durch Selbstkurzschluss. Nachts liege ich manchmal wach und denke daran, dass in Italien auch Kernkraftwerke stehen, wahrscheinlich ganz schnelle Brüter, die wie eine Ducati die ganze Welt mit Leistung versorgen könnten, wenn sie mal fünf Minuten das Brennen aufhörten.

Bei Ducati war das Thema Elektrik/Elektronik ziemlich schlimm, als sie auf modernere Kabelbäume mit CAN-Bus-Steuergeräten umstellten. Aus dieser Zeit kenne ich haarsträubende Geschichten. Umso erfreulicher ist es, dass sie sich da offenbar reingehängt haben. Seit selbst Aprilia nach der Piaggio-Übernahme italienische Motorräder baut, denen die Pleuel rausfliegen, ist das früher Unglaubliche passiert: Ducatis sind glaube ich die zuverlässigsten Italiener geworden, mit Wartungsintervallen auf japanischem Niveau.

Die Elektrik der Streetfighter hat sich eine Woche lang keinen Aussetzer geleistet, das ist immerhin eine Woche länger als der italienische Schnitt für andere Kernkraftwerke. Dafür hat der Motor schon gleich nach der Abholung leicht Öl geschwitzt. Ich hasse sie. Ich liebe sie. Und ich habe noch mehr Emotionen, alle davon arg: Ein Mitfahrer sagte anklagend „Du hast da Angstrand am Reifen“. Ja, weil ich Angst hatte, Alter!

Du willst mehr lesen: www.mojomag.de

Ducati Streetfighter S

Die Stimme der Vernunft sagt: „Kauf sie nicht.“ Sie hat unrecht.

Ducati Streetfighter S

Ist: das zuverlässigste italienische KKW.
Kos­tet: 18.955 Euro (inkl. Liefernebenkosten) Standardversion: 15.045 Euro
Leis­tet: 155 PS (114 kW) bei 9.500 U/min
Stemmt: 115 Nm bei 9.500 U/min aus 1099 ccm
Wiegt: 198 kg voll­ge­tankt
Tankt: 16,5 Liter Super.
Hat: eine einstellbare Traktionskontrolle, einen Port für Data Recording und mehrere ernste psychologische Probleme.

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