Motorradfahren ist ein faszinierendes Erlebnis – voller Geschwindigkeit, Freiheit und Konzentration. Doch genau diese Intensität bringt auch Risiken mit sich. Eines davon ist ein psychologisches Phänomen, das selbst erfahrene Biker oft unterschätzen: die sogenannte „Target Fixation“ oder Blickfixierung.
Stell dir vor: Du fährst zügig durch eine Kurve, entdeckst plötzlich Schotter am Fahrbahnrand – und obwohl du genau weißt, dass du ausweichen solltest, fährt dein Motorrad genau darauf zu. Kein Zufall, sondern eine typische Reaktion deines Gehirns.
Target Fixation beschreibt den unbewussten Reflex, den Blick auf ein gefährliches Objekt zu richten – und damit ungewollt genau dorthin zu steuern. Was evolutionär ein Schutzmechanismus war, kann im Straßenverkehr fatale Folgen haben.
Die Blickführung beeinflusst unsere Bewegungen stärker, als vielen bewusst ist. Vor allem auf einem Motorrad gilt: Wohin du schaust, dorthin fährst du auch. Wenn dein Fokus auf einem Hindernis liegt, folgen Körper und Maschine oft automatisch.
Besonders gefährlich wird das in diesen Situationen:
Psychologen wie James J. Gibson haben bereits in den 1950er-Jahren erforscht, wie stark das menschliche Sehen unsere Motorik beeinflusst – insbesondere unter Stress. Seine Studien mit Kampfpiloten zeigten: In bedrohlichen Situationen flogen sie instinktiv auf Hindernisse zu, obwohl sie diese vermeiden wollten. Dieses Muster zeigt sich auch bei Motorradfahrern.
Die gute Nachricht: Du kannst gezielt daran arbeiten, diesen Reflex zu kontrollieren. Mit den richtigen Methoden trainierst du dein Gehirn, in Stresssituationen bewusst zu reagieren statt instinktiv.
Die wichtigste Regel lautet: Schau immer dorthin, wo du hinwillst – nicht dorthin, wo du nicht landen möchtest. Klingt simpel, ist aber effektiver als jede Ausweichstrategie.
Fahrsicherheitstrainings oder spezielle Motorradkurse helfen dir, deine Blick- und Reaktionsgewohnheiten zu analysieren und zu verbessern.
Tipp für ein einfaches Training: Fahre durch einen Pylonenkurs, ohne direkt auf die Hütchen zu schauen. Stattdessen: Blick auf die Ideallinie richten – dein Motorrad folgt automatisch.
In kritischen Momenten hilft kontrolliertes Atmen dabei, Panikreaktionen zu verhindern. Eine bewusste Bauchatmung senkt den Stresspegel und reduziert die Wahrscheinlichkeit, in den Tunnelblick zu verfallen.
Je besser dein peripheres Sehen funktioniert, desto mehr Optionen nimmst du wahr. Kleine Übungen – wie das bewusste Wahrnehmen von Bewegungen im Augenwinkel – verbessern deine Umgebungswahrnehmung.
Trainings mit eingebauten Überraschungsmomenten – z. B. plötzlich auftauchende Hindernisse – fördern eine souveräne Reaktion unter Druck. So programmierst du dein Gehirn auf bewusstes Handeln statt auf reflexartige Fixierung.
Ob Anfänger oder erfahrener Tourenfahrer: Target Fixation betrifft uns alle. Wer versteht, wie stark unser Blick unser Verhalten beeinflusst, gewinnt nicht nur an Sicherheit, sondern auch an Fahrfreude.
Denn Motorradfahren ist mehr als Technik und PS – es ist ein Zusammenspiel aus Geist, Körper und Maschine. Wer beides trainiert – Fahrtechnik und mentale Kontrolle – fährt besser, sicherer und entspannter.
Hast du selbst schon Erfahrungen mit Blickfixierung gemacht? Oder nutzt du spezielle Übungen, um dein Reaktionsvermögen zu verbessern? Teile es mit der Community in den Kommentaren!
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