Von Hoffnungsträger zum Sorgenkind? Ein Blick auf die aktuellen Entwicklungen bei Harley-Davidsons Elektromotorradmarke LiveWire.
Als Harley-Davidson LiveWire als eigenständige Marke ausgliederte, war die Aufregung groß: Endlich wagte sich ein Traditionshersteller in die Zukunft. Und tatsächlich: Mit Modellen wie der LiveWire One oder der S2 Del Mar hat die Marke gezeigt, dass sie Elektromotorräder bauen kann, die nicht nur technisch, sondern auch emotional überzeugen.
Doch aktuell ziehen dunkle Wolken über LiveWire auf – und das liegt weniger an den Motorrädern als an den Zahlen dahinter. Die jüngsten Entwicklungen werfen Fragen auf, ob die Erfolgsgeschichte gerade erst ins Rollen kommt – oder ob sie bald aus der Kurve fliegt.
Aktienverkäufe in der Chefetage
Was viele Investoren und Motorradfans nervös macht: Topmanager von LiveWire verkaufen derzeit in größerem Stil ihre Aktien. CEO Karim Donnez etwa trennte sich Mitte Juni von über 54.000 Anteilen – bei einem Durchschnittspreis von 5,50 Dollar pro Stück. Auch Vorstandsmitglied John L. Garcia stieg aus und ließ über 56.000 Aktien zu je 6,47 Dollar gehen. Insgesamt haben Insider in den letzten drei Monaten fast 277.000 Anteile abgestoßen – ein Verkaufswert von rund zwei Millionen Dollar.
Das sorgt für Stirnrunzeln: Wer an die Zukunft des eigenen Unternehmens glaubt, verkauft in der Regel nicht in solchen Größenordnungen.
Rote Zahlen und düstere Quartalszahlen
Hinzu kommt ein erschreckender Quartalsbericht, der Anfang Mai fast unter dem Radar veröffentlicht wurde. Das Unternehmen verzeichnete im ersten Quartal einen Nettoverlust von -367 Prozent – das bedeutet: Für jeden Dollar Umsatz hat LiveWire mehr als drei Dollar verloren. Die Einnahmen lagen bei mageren 2,74 Millionen Dollar. Zum Vergleich: Um als Marke wirklich im Markt Fuß zu fassen, müsste LiveWire hier ein ganz anderes Niveau erreichen.
Die Motorräder überzeugen – aber reicht das?
Und das ist das eigentlich Bittere: Technisch sind die Bikes gut. Die S2 Del Mar gilt vielen als eines der besten E-Bikes der letzten Jahre – ein echtes Statement auf zwei Rädern. Auch die Modelle Mullholland und Alpinista zeigen, dass man bei LiveWire nicht nur weiß, wie ein Elektromotorrad funktioniert, sondern wie es sich anfühlen muss.
Doch der Markt ist zäh. Elektromotorräder haben es nach wie vor schwer: Hohe Preise, lange Ladezeiten, wenig Infrastruktur – und eine Kundschaft, die noch nicht ganz überzeugt ist. Wer 20.000 Euro für ein Bike ausgibt, erwartet Reichweite, Ladeoptionen und Emotionen. LiveWire kann Letzteres, kämpft aber mit den anderen Punkten.
Fazit: Evolution oder Endstation?
LiveWire steht an einem entscheidenden Punkt. Die Technik stimmt, das Design begeistert, und Harley-Davidson hat mit der Ausgliederung Raum für Innovation geschaffen. Doch wenn die eigenen Führungskräfte das sinkende Schiff wittern und die Zahlen weiter tiefrot bleiben, wird es eng.
Die nächsten Monate werden zeigen, ob LiveWire das Ruder herumreißen kann – mit einem starken Vertrieb, technologischem Fortschritt und hoffentlich: Vertrauen von innen heraus.
Für uns Motorradfans bleibt zu hoffen, dass das Summen der Zukunft nicht im Rauschen der Bilanzen untergeht.
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