
Die EICMA in Mailand gilt traditionell als das Highlight des Motorradjahres – das Schaufenster der Branche, in dem die Hersteller zeigen, wohin die Reise geht. 2025 stand die Messe unter dem Motto „That’s Amore“ – ein Liebesbekenntnis zum Motorrad, zum Fahren, zur Emotion. Doch so ganz wollte der Funke diesmal nicht überspringen.
Ich selbst war nicht vor Ort, habe die Eindrücke aber intensiv verfolgt – und die Berichte aus Mailand zeichnen ein interessantes, fast widersprüchliches Bild: weniger elektrische Euphorie, mehr Realitätssinn.
Neue Antriebe? Nur auf Sparflamme
In den letzten Jahren schien es, als wolle jeder große Hersteller unbedingt ein elektrisches oder hybrides Konzept zeigen – am besten gleich mit revolutionärer Batterietechnologie oder Wasserstoffantrieb.
2025 war das anders. Zwar zeigte Honda mit dem WN7 ein neues Elektromodell und LiveWire brachte mit der Plattform S4 ein 125er-Pendant, aber insgesamt war deutlich weniger Bewegung in der Elektroszene zu spüren.
Kawasaki, Yamaha und Suzuki hielten sich auffällig zurück, und auch BMW oder Ducati hatten keine elektrischen Überraschungen im Gepäck. Offenbar befindet sich die Branche in einer Art Zwischenphase – nach der Euro-5+-Umstellung und vor möglichen neuen Gesetzesänderungen.
Premieren online – das Ende der Messe-Überraschung
Ein weiteres Phänomen: Viele große Marken präsentierten ihre Neuheiten bereits Wochen vor der Messe online. Das Ergebnis? Weniger Wow-Momente in Mailand, mehr Déjà-vu beim Messebesucher.
Trotzdem gab es Highlights:
China – vom Sturm zur Konsolidierung
Spannend war, was aus China kam. Nach Jahren des Modell-Feuerwerks scheint sich die Szene zu stabilisieren. Marken wie CFMoto, Kove, Voge, Benelli oder Zontes setzen nicht mehr nur auf A2-kompatible Bikes, sondern greifen zunehmend in die Mittel- und Oberklasse ein.
Die Qualität wächst, die Preise bleiben niedrig – und manche Innovationen kommen inzwischen von dort.
Ein Beispiel: CFMoto zeigte den V4 SR-RR mit 210 PS, aktivem Aeropaket und elektronischem Fahrwerk – ein Motorrad, das zeigt, dass China längst mehr ist als „billige Kopie“.
Smarte Helme und ARAS – Technik, die begeistert
Abseits der großen Marken waren es die technischen Neuerungen, die für Staunen sorgten.
So präsentierte Cardo einen Helm mit aktiver Geräuschunterdrückung, Shoei zeigte mit EyeLights ein Modell mit Head-up-Display, und Hero überraschte mit einem Radar- und Kamerasystem für Scooter – inklusive adaptivem Tempomat, Spurhalteassistent und Fußgängererkennung.
Wenn diese Systeme marktreif werden, könnten sie das Motorradfahren tatsächlich sicherer und komfortabler machen – ein echter Fortschritt.
Nach Euro 5+ – Warten auf das nächste große Ding
Vielleicht ist das beste Wort für EICMA 2025: Übergang.
Die Branche scheint Luft zu holen – nach der Hektik rund um Euro 5+ und vor dem nächsten großen Entwicklungsschub.
Elektromobilität ist nicht tot, aber sie tritt auf der Stelle. Und während Europa und Japan vorsichtig agieren, bauen China und Indien konsequent auf – sowohl bei Motoren als auch bei Technologie.
Fazit: Kein Feuerwerk, aber viele Signale
EICMA 2025 war keine Show der großen Sensationen, sondern eher ein Spiegel der aktuellen Motorradwelt: nachdenklich, vorsichtig, aber nicht ohne Hoffnung.
Die Liebe zum Motorrad, das „Amore“, ist noch da – nur wird sie momentan etwas pragmatischer gelebt.
Und vielleicht ist genau das gut so. Denn echte Leidenschaft braucht nicht immer Krawall – manchmal genügt ein leises, aber ehrliches Brummen.
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