
Am 19. November fand bei Pierer Mobility eine außerordentliche Sitzung statt, die als echter Wendepunkt in der Geschichte von KTM gelten kann. Was schon seit Monaten als sicher galt, ist jetzt offiziell: Der indische Industriegigant Bajaj übernimmt endgültig die Kontrolle. Damit endet die jahrzehntelange Ära von Stefan Pierer, der KTM zu einer der stärksten Motorradmarken Europas aufgebaut hat.
Ein Machtwechsel mit Ansage
Bereits im Vorfeld wurde der entscheidende Schritt eingeleitet: Bajaj Auto B.V., die europäische Tochter des Konzerns, kaufte die Anteile der Pierer Industrie AG an Pierer Bajaj AG. Damit hält Bajaj nun 74,9 % an der heutigen Pierer Mobility AG – ein deutlicher Mehrheitsanteil. Der nächste logische Schritt folgt bald: Die Firma soll in Bajaj Mobility AG umbenannt werden.
Doch nicht nur der Firmenname ändert sich. Auch die Besetzung der Kontrollgremien wurde einmal durchgeschüttelt. Vertreter aus Pierers Umfeld verließen den Aufsichtsrat. Neu hinzu kamen:
Im operativen Management gab es ebenfalls Neuzugänge: Petra Preining übernimmt als CFO die Finanzsteuerung, während Verena Schneglberger-Grossmann künftig für die Logistik verantwortlich ist.
Neuer KTM-Chef, alte Herausforderungen
An der Spitze von KTM selbst steht jetzt Gottfried Neumeister, der den Posten von Stefan Pierer übernimmt. Er versucht, Zuversicht zu verbreiten: Laut ihm sei die „Wiederherstellung der Marke“ auf gutem Weg. Ein zentrales Problem sind die hohen Lagerbestände – bis Jahresende sollen rund 110.000 Motorräder verkauft werden. Parallel läuft ein harter Sparkurs im gesamten Unternehmen.
Sparmaßnahmen und ihre Folgen
Was bedeutet dieser Sparkurs konkret? Bereits sichtbar ist die Schließung des GASGAS-Werks in Spanien, ebenso der Rückzug der Marke aus den nationalen und internationalen Trial-Meisterschaften. Doch laut Rajiv Bajaj reicht das nicht: Die Kosten sollen halbiert werden. Seine wiederholten Aussagen über das „Sterben der europäischen Industrie“ lassen viele Fans und Mitarbeiter spekulieren, ob Teile der Produktion mittelfristig nach Indien abwandern werden.
Unsichere Zukunft im Rennsport
Ein weiteres Fragezeichen steht über den Motorsport-Projekten von KTM. Allein für 2025 wurden 60 Millionen Euro investiert – eine enorme Summe, wenn gleichzeitig massiv gespart werden muss.
Brisant ist auch das angebliche Interesse des chinesischen Herstellers CFMoto, die MotoGP-Slots des KTM-Werksteams zu übernehmen. Das fällt zeitlich zusammen mit dem Besuch hoher MotoGP-Verantwortlicher in China, wo sowohl ein möglicher Grand-Prix-Comeback als auch ein Besuch bei CFMoto stattfanden.
Was kommt jetzt?
Trotz beruhigender Worte aus dem Vorstand erwarten Branchenkenner einen klaren Kurswechsel: Bajaj wird straff führen, Kosten drücken und die Produktion neu ordnen. Für KTM-Fans heißt das: große Veränderungen, aber auch potenziell neue Chancen – abhängig davon, wie geschickt der neue Führungsstil umgesetzt wird.
Eines ist sicher:
Mit dem Abschied von Stefan Pierer endet eine Ära, die KTM zu einem globalen Player gemacht hat. Nun beginnt ein neues Kapitel – und es wird von indischer Handschrift geprägt sein.
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